Nach einem guten Lauf in 2023 hat Adobe mit den Zahlen für das erste Quartal die Markterwartungen enttäuscht und die Aktie notiert im Anschluss zweistellig im Minus. Ein Ausblick unter den Erwartungen nährt die Angst, dass Adobe einer der Verlierer der Verwendung von künstlicher Intelligenz werden wird. Grund genug, einmal genauer hinzuschauen.
Die Zahlen für das erste Quartal waren an sich durchaus beeindruckend: Sowohl der Umsatz mit 5,2 Mrd. Dollar (erwartet 5,14 Mrd.), der neu hinzu gekommene wiederkehrende Umsatz mit 432 Mio. Dollar (erwartet 413,5 Mio.) und das EPS mit 4,48 Dollar (erwartet 4,38 Dollar) waren besser als der Consensus. Was jedoch den Kursrutsch auslöste war der Ausblick bzw. der fehlende Ausblick. Hier gab Adobe für das zweite Quartal eine Prognose für den neu hinzukommendem wiederkehrenden Umsatz von 440 Mio. Dollar, die unter den Markterwartungen (470 Mio. Dollar) lag. Außerdem gab es entgegen der bisherigen Praxis kein Update beim EPS und neu hinzukommenden wiederkehrenden Umsatz auf Jahressicht.
Der Ausblick gibt an und für sich keinen Grund für so eine starke Kursreaktion, kennt man jedoch die Vorgeschichte, wird die Reaktion zumindest nachvollziehbarer. Bereits mit dem Jahresausblick unter den Erwartungen hat der Markt Adobe als einen möglichen Verlierer von KI identifiziert. Die Furcht ist, dass neue Wettbewerber mit KI-Tools für Bild- und Videoerzeugung in den Markt eintreten und Adobe in seinem Kerngeschäft, der Software für kreative Menschen (Designer, Werbeagenten, etc.) Marktanteile abnehmen werden. Diese Angst erhielt dann im Januar mit der Vorstellung von OpenAI-Sora, einem Programm, das mit Hilfe künstlicher Intelligenz Videos erzeugt, neue Nahrung – Adobe Kursrutsch von 7% inklusive. Mit dem nun eher vorsichtigen Ausblick und den Aussagen des Managements, dass die Monetarisierung der eigenen KI-unterstützten Angebote eher in H2/24 passieren wird, sind daher einige der Investoren lieber auf die Seitenlinie gewechselt.
Aus unserer Sicht kommt der Abgesang gegenüber Adobe jedoch möglicherweise zu früh. In seinem Kerngeschäft hat Adobe zahlreiche, deutliche Wettbewerbsvorteile gegenüber Wettbewerber: eine starke Marke, ein großes Vertriebsnetz, das umfangreichste „Alles-aus-einer-Hand“-Angebot (während Wettbewerber oft nur Einzellösungen anbieten) und v.a. eine tiefe Integration der Software in den Workflow der Nutzer (teilweise 90-95% der Arbeitszeit in Adobe-Software). Das diese Vorteile nicht nur auf dem Papier existieren zeigt sich an der starken operativen Performance der letzten Jahre trotz des Markteintritts neuer Wettbewerber wie Canva oder Figma. Gerade im KI-Bereich hat Adobe mit dem für Herbst des Jahres angekündigten Start eine KI-unterstützen Videobearbeitungstools und der wachsenden Integration seiner KI-Lösungen in bestehende Produkte (AI Photoshop, AI Permier Pro) auch einiges zu bieten. Gegenüber neuen KI-Wettbewerbern besteht noch ein weiterer, gerade für professionelle Kunden wichtiger Vorteil: durch die eigenen Bilderdatenbank gibt es bei der Nutzung von Adobe-Lösungen keine Urheberrechtsprobleme.
Dazu kommt, dass Expertenschätzungen und auch der eigenen Adobe-Schätzung nach der adressierbare Gesamtmarkt für Adobe zukünftig deutlich wachsen wird. Hintergrund ist hier, dass durch eine einfachere und schnellere Verfügbarkeit deutlich mehr Bildmaterial erzeugt werden wird (analog zu dem exponentiellen Wachstum an Fotos beim Aufstieg der Smartphones), welches dann bearbeitet werden wird. Selbst wenn man also davon ausgehen würde, dass Adobe Marktanteile verliert, so würde das den Wachstumspfad nicht in Frage stellen. Bildlich gesprochen: ein kleineres Stück von einem größeren Kuchen bedeutet mehr Umsatz als ein großes Stück von einem kleinen Kuchen. Schließlich hat Adobe noch ein weiteres Ass im Ärmel: das Unternehmen setzt verstärkt auf Freemium-Produkte, bietet also einen Teil seiner Angebote v.a. an weniger professionelle Nutzer kostenlos an und verlangt dann erst für einen größeren Leistungsumfang eine Gebühr. Die Erschließung dieses Marktes verspricht auf Jahre hinaus weiteres Wachstumspotential.
Für die vermeintlich schwachen Zahlen gibt es außerdem noch eine weitere Erklärung. Es ist seit Jahren Unternehmensstrategie zunächst einmal Marktanteile zu gewinnen und erst danach die Preise zu erhöhen – also auf kurzfristige Gewinne für eine starke Marktposition zu verzichten.
Wir sind zuversichtlich, dass die Monetarisierung der KI-Lösungen weniger eine Frage des “Ob”, sondern eher des “Wann” ist. Und auch ein Blick in die Historie der Investorenwahrnehmung von Adobe stimmt uns zuversichtlich: 2010 kam die Aktie unter Druck, als Apple Flash von seinen Geräten entfernte, 2011 führte die Umstellung auf ein Abo-Modell zu Kursrückgängen und Anfang 2023 war es ebenfalls KI-Angst aufgrund der Bildbearbeitungssoftware von DALL-E und Midjourney. In der Rückschau waren diese Events jeweils Kaufgelegenheiten, die die Basis für die nächste Rally legten.