Die Veröffentlichung der Quartalszahlen von Palo Alto Networks quittierten die Investoren mit einem Rekordkurssturz von in der Spitze 28%. Am Dienstagabend hat nun Wettbewerber Crowdstrike seine Ergebnisse präsentiert, welche mit einem 25% Kursanstieg belohnt wurden. Grund genug, einen zweiten Blick auf die jüngsten Entwicklungen bei den Cyberschwergewichten und deren Bedeutung für den gesamten Cybersektor werfen.
Die Zahlen für das abgelaufene Quartal waren bei beiden Unternehmen beeindruckend: Bei Palo Alto Networks lag das Billingswachstum mit 16% innerhalb des Prognosekorridors von 15-18%, ebenso das Umsatzwachstum mit 19% (Prognose 18-20%). Beim Ergebnis je Aktie wurde mit 1,46 Dollar sogar die Prognose (1,29-1,31) übertroffen. Ähnlich positiv waren die Zahlen bei Crowdstrike – hier wurden die Erwartungen beim Umsatz leicht (905 Mio. Dollar vs. Consensus 899 Mio.) und beim Ergebnis je Aktie deutlich (0,95 Dollar vs. Consensus 0,83 Dollar) geschlagen.
Die gegenläufigen Kursreaktionen kommen aufgrund sehr unterschiedlichen Wachstumsausblicken zu Stande. Bei Palo Alto gab es eine Prognosesenkung – statt 18-19% Umsatzwachstum und 19-20% Billingswachstum sollen es nun nur noch 15-16% bzw. 10-11% sein. Für das dritte Quartal bedeutet das lediglich ein Billingswachstum von 2-4%. Allerdings soll die Profitabilität auf Jahressicht sogar steigen.
Im starken Kontrast dazu steht der weiterhin ungebrochene Wachstumstrend von Crowdstrike. Hier liegt man in der Prognose sowohl beim Umsatz mit 3,96 Mrd. Dollar (Consensus 3,94 Mrd.) als auch v.a. beim Ergebnis mit 3,87 Dollar (Consensus 3,76 Dollar) über den bereits hohen Markterwartungen.
Neben den guten Zahlen und dem starken Ausblick von Unternehmen wie Crowdstrike oder auch dem Wettbewerber Fortinet sprechen weitere Indizien für den Moment eher gegen ein Ende des Cyberbooms. Das Bedrohungsszenario von Cyberangriffen wird weltweit von Unternehmen für 2024 mit 34% als ähnlich hoch wie Betriebsunterbrechungen (34%) und relevanter als z.B. Energiekrisen (22%) oder Naturkatastrophen (19%) eingestuft. Cyber-Großhändler sprechen von weiterhin hoher Nachfrage. Außerdem hat der Ausblick von Palo Alto eine Vorgeschichte: das Unternehmen hatte eine führende Marktposition im Bereich SASE (Secure Access Service Edge) – hier jedoch nicht aggressiv genug in der Preisgestaltung agiert und es so den Wettbewerbern, insbesondere ZScaler, ermöglicht signifikante Marktanteile zu gewinnen. Eine ähnlich führende Position besitzt Palo Alto jetzt im Bereich XSIAM (KI-gestützte Alarmsysteme) und möchte eine ähnliche Entwicklung wie bei SASE vermeiden. Daher hat das Unternehmen angekündigt, einen Teil der Leistungen für Paket-Angebote für die nächsten 6-12 Monate kostenlos dazuzugeben. Hierzu ist wichtig zu verstehen, dass die Kunden von Palo Alto im Vergleich zu anderen Cyber-Unternehmen tendenziell eher Großkunden sind und diese oftmals einzelne Teile von unterschiedlichen Anbietern beziehen. Um hier die Wechselkosten zu senken und Marktanteile zu gewinnen, wird der Teil der Leistungen, der doppelt bezahlt würde, von Palo Alto bis zum Ende der Konkurrenzlizenz kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Prognosekürzung erfolgt also auch hier nicht aufgrund von Nachfrageproblemen, sondern durch eine veränderte Marketingstrategie. Mittelfristig rechnet Palo Alto weiter mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate seiner Umsätze von 14-15% bis 2030 und im Bereich der „neuen“ Anwendungen (u.a. Sicherheitslösungen mit KI-Unterstützung) sogar 25%.
Dennoch ist die Prognosesenkung mehr als ein Non-Event für den Cyber-Sektor, denn die Aussagen des Managements zu einer „Cybermüdigkeit“ i.e. Unzufriedenheit der Kunden über zu viele unterschiedliche Lösungen für ein Problem, lassen aufhorchen. Hier hat Crowdstrike durch die Harmonisierung sämtlicher Produkte auf einer Plattform einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber den Wettbewerbern und auch Palo Alto, welche aktuell mit drei Plattformen für verschiedene Anwendungsbereiche agieren. Und es könnte der erste Indikator dafür sein, dass eine Konsolidierung im Cyber-Sektor bevorsteht. Wir werden die weiteren Entwicklungen auf jeden Fall aufmerksam verfolgen und es zeigt sich, dass es in so einem jungen und aufstrebenden Sektor auszahlt aktiv zu selektieren.